Kommentar zum Handball-Bundesligisten BHC Die Talfahrt hat viele Ursachen

Wuppertal · Eigentlich galt der Bergische HC längst als etablierter Bundesligist, der mit dem Abstieg aus der stärksten Handall-Liga der Welt auf Dauer nichts zu tun haben sollte.

 Der BHC – hier Eloy Morante Maldonado – liegt momentan am Boden.

Der BHC – hier Eloy Morante Maldonado – liegt momentan am Boden.

Foto: Dirk Freund

Das sahen Experten selbst dann noch so, als sich die aktuell auf acht Niederlagen in Serie angewachsene Negativserie des Teams mit drei Pleiten im Dezember aufzutürmen begann. 2024 hat der BHC kein Spiel gewonnen, dabei zuletzt desolate Leistungen gezeigt und liegt jetzt auf dem nicht für möglich gehaltenen Abstiegsplatz.

Noch verbleibt zwar ein gutes halbes Dutzend Partien gegen Mannschaften, die für den BHC normalerweise an guten Tagen immer schlagbar waren. Aber der Glaube daran, dass diese guten Tage wiederkommen, ist bei den Fans gerade nicht übermäßig ausgeprägt. Was ist da schiefgelaufen?

Eine einzige Antwort auf diese Frage gibt es nicht, dafür aber einige Mosaiksteine, die zur Abwärtsspirale beitrugen. Eins davon ist natürlich die Verletzungsmisere, die dem BHC wie eine Seuche anhängt. Sie wirkt sich aber auch deshalb so dramatisch aus, weil dem BHC sein über Jahre ziemlich glückliches Transfer-Händchen abhandengekommen ist. Der als großer Name verpflichtete Nationalspieler Djibril M’Bengue ist auf Halbrechts ohne Mut zum Torwurf und mit konstant hoher Fehlerquote eine komplette Enttäuschung. Das konnte man kompensieren, solange Nachwuchs-Hoffnungsträger Elias Scholtes auf dieser Position auftrumpfte.

Der U21-Weltmeister fällt aber seit Monaten und wohl auch für den Rest der Saison aus. Und der immerhin vom Champions-League-Club Celje nachverpflichtete Ersatz-Halblinke Grega Krecic war bisher auch weit davon entfernt, eine Verstärkung zu sein. Auch Nachverpflichtung Nummer zwei in Person des polnischen Kreisläufers Anoni Doniecki – auch er zum Einstand erst mal verletzt – spielt bisher praktisch keine Rolle.

Währenddessen sind auch noch bewährte Führungsspieler in teils unerklärlichen Formtiefs. Linus Arnesson steht als eigentlicher Kopf der Mannschaft im Schatten des aktuell starken Neuzugangs Eloy Morante Maldonado und kommt augenscheinlich mit den daraus resultierenden diversen Rückraum-Rochaden nicht zurecht. Der tschechische Nationalspieler Tomas Babak, dessen Vertrag der BHC Ende 2022 nach starken Vorstellungen vorzeitig bis 2026 verlängert hatte, genießt beim Coach offenkundig kein Vertrauen und steht – ob deshalb, sei dahingestellt – seit Monaten komplett neben sich. Ähnlich dürftig sind die Einsatzzeiten des ebenfalls mit viel Vorschusslorbeeren bedachten dänischen Rückraum-Neuzugangs Mads Andersen, dessen Wurfkraft bisher nicht ins Spiel gebracht werden kann.

Eine ernüchternde Bilanz, die unter normalen Umständen automatisch die Trainerfrage aufwirft. Die ist beim BHC allerdings heikel – und das nicht nur, weil Löwen-Macher Jörg Föste in der Vergangenheit auch in schwierigen Situationen immer am Coach festgehalten hat und damit meist sehr gut fuhr.

Aber der Club hatte den Vertrag mit Coach Jamal Naji im November bekanntlich vorzeitig und für viele Beobachter überraschend bis Sommer 2028 (!) verlängert. Eine Trennung in der aktuellen Krise wäre daher unabhängig von allen sportlichen Erwägungen wirtschaftlich wohl ein ziemliches Desaster.

Dass die Aufsteiger dieses Jahr überraschend stark aufspielen, ist ein weiterer Mosaikstein, der den BHC am Ende in Liga zwei versenken könnte. Ein Abstieg würde den BHC in seiner eigentlich sehr erfolgreichen Entwicklung mit stetig wachsender Sponsoren-Basis wieder weit zurückwerfen. Der Club hat zwar schon einmal bewiesen, dass er so einen Rückschlag wegstecken und gestärkt zurückkehren kann, aber die Rückkehr ins Oberhaus ist nicht automatisch programmierbar. Außerdem ist da ja noch die andere große BHC-Baustelle in Form der Hallenfrage. Die hängt als Langzeitprojekt zwar nicht am unmittelbaren sportlichen Erfolg, aber Erfolge würden natürlich mehr Schwung in die zähe Diskussion bringen als Misserfolge.

Nach jetzigem Stand der inzwischen zehnjährigen Bemühungen um einen Arena-Neubau muss sich demnächst entscheiden, ob die ins Stocken geratenen Pläne für ein Investoren-Engagement in Solingen noch eine Realisierungs-Perspektive haben. Wenn nicht, könnte der Handball wieder ins Wuppertaler Spielfeld geworfen werden. Hier hört man jedenfalls gesprächsweise von neuen Standort- und Stadtentwicklungs-Ideen rund um das Thema Event-Arena. Wenn die zum Tragen kämen, wird das mindestens so spannend wie der Abstiegskampf ...

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