Rundschau-Interview zur Landtagswahl CDU: „Wir brauchen weniger Bürokratie“

Wuppertal / Düsseldorf · Am 15. Mai wird der neue NRW-Landtag gewählt. Das Wuppertaler Stadtgebiet ist in drei unterschiedliche Wahlkreise aufgeteilt. Die Reihe der politischen Interviews mit Kandidatinnen und Kandidaten geht weiter mit der CDU. Die Rundschau-Redakteure Roderich Trapp und Stefan Seitz sprachen mit Anja Vesper, Hans-Jörg Herhausen und Rainer Spiecker. Die 45-jährige Anja Vesper ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der CDU-Landtagsfraktion, Hans-Jörg Herhausen (57) selbstständiger Steinmetz- und Steinbildhauermeister, Rainer Spiecker (60) Textilunternehmer sowie Mitglied des NRW-Landtages von 2012 bis 2017 und wieder seit 2021.

 Von li.: Hans-Jörg Herhausen, Anja Vesper und Rainer Spiecker vor dem Rundschau-Verlag am Johannisberg.

Von li.: Hans-Jörg Herhausen, Anja Vesper und Rainer Spiecker vor dem Rundschau-Verlag am Johannisberg.

Foto: Simone Bahrmann

Rundschau: Frau Vesper, welches bildungspolitische Fazit ziehen Sie nach den Erfahrungen der Corona-Zeit?

Anja Vesper: „Ich bin zweifache Mutter und Schulpflegschaftsvorsitzende. Während Corona sind viele Kinder, die zu Hause digital nicht gut aufgestellt sind, ins Hintertreffen geraten. Viele werden das gar nicht mehr aufholen können. Egal welche Entscheidungen damals getroffen wurden, sie waren nie komplett richtig. Denn es gab einfach kein „richtig“ oder „falsch“. Obwohl Schulministerin Gebauer von der FDP kommt, hat das auch für mich zu vielen Diskussionen mit Eltern geführt, aber wer zu einer Koalition gehört, muss das einstecken können. Fest steht für mich, dass vieles bei der Kommunikation mit den Schulen verbesserungswürdig ist, aber Schuldige dafür kann ich nicht festmachen. Ich kann nur hoffen, dass Zeiten, während derer meine Kinder wegen des Lüftens mit beheizbaren Einlegesohlen in den Klassen saßen, nicht wiederkommen.“

Rundschau: Für die Zeit vor der Schule fordert die SPD den beitragsfreien Kita-Besuch ...

Anja Vesper: Die CDU steht für das beitragsfreie dritte Kita-Jahr. Was bringt es denn, wenn komplette Beitragsfreiheit gefordert wird, die dann nicht finanzierbar ist und wieder zurückgenommen werden muss?

 Anja Vesper.

Anja Vesper.

Foto: Simone Bahrmann

Rainer Spiecker: „Ich finde, dass man Kita, Schule und Berufsausbildung als eine Einheit sehen muss, und zwar unter dem Motto ,Fachkräfteinitiative‘. In das Duale Ausbildungssystem beispielsweise haben wir als Landesregierung Unsummen investiert, in den Schulbildungssektor als Ganzes insgesamt 20,5 Milliarden Euro. Auch die geräuschlose Umstellung von G8, das Rot-Grün eingeführt hatte, wieder zurück zu G9 darf man nicht vergessen. Da haben die Lehrer tolle Arbeit geleistet.“

Hans-Jörg Herhausen: „Zurzeit sind 11.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt, das ist ein ganz großes Problem. Beim Thema handwerklicher Berufe wird jungen Leuten immer noch eingeredet, man müsse unbedingt studieren, sonst sei man nichts wert. Da ist ein gesellschaftlicher Wandel nötig, damit alle profitieren.“

Anja Vesper: „Und das Bildungssystem muss unbedingt durchlässiger, flexibler werden, damit das Drehen von überflüssigen Schul-Schleifen und die damit verbundene Zeitverschwendung verhindert wird.“

Rundschau: Für die Unternehmen ist ja aktuell das Thema Energiekosten ein ganz heißes Eisen. Wer muss hier wem mit welchem Instrument unter die Arme greifen?

Hans-Jörg Herhausen: „Der Bund muss die Energiekosten der Unternehmen auffangen. Beispielsweise durch Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent. Während Corona ist die Mehrwertsteuer ja auch gesenkt worden. Und um die Arbeitnehmer zu entlasten, fordere ich die Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer sowie in Höhe von 40 Cent. Es muss Rettungsfonds und Bankbürgschaften für Betriebe geben, die durch die Explosion der Energiekosten in finanzielle Schwierigkeiten kommen. Das Land kann und wird weiterhin Bürokratie abbauen, was mit der Streichung von 59 überflüssigen Verordnungen ja schon geschehen ist und unbedingt weitergehen muss. Das hilft vor allem kleineren und mittleren Firmen. Zur Erinnerung: Die überwiegende Zahl der Unternehmen im Bergischen Land hat zwischen fünf und 50 Beschäftigte.“

Rundschau: Blickpunkt Wuppertal: Immer ein Riesenthema auf kommunaler Ebene ist die Überschuldung. Wie ist Ihre Position zum Altschuldenfonds?

Rainer Spiecker: „Die Kommunen müssen von Bund und Land entlastet werden! Die Frage ist nur, wie? Schwarz-Gelb wird die Kommunen stärken und tut das ja längst auf zahlreichen Einzelfeldern. Aber ein Altschuldenfonds wird, so sehe ich das, das strukturelle Finanzierungsproblem von Kommunen wie Wuppertal nicht lösen.“

Hans-Jörg Herhausen: „Städte und Gemeinden sind die Letzten in der Hackordnung, wenn es um die Geldverteilung geht. Deswegen ist klar: Alle an eine Kommune von Bund und Land übertragenen Aufgaben müssen auskömmlich finanziert werden. Aber trotzdem muss eine Kommune sich auch selbst helfen. Auch dabei rate ich zu offensivem Bürokratieabbau. Denn immer wieder ist es so, dass gute Ideen an der Verwaltung scheitern. Ich habe den Eindruck, dass es in Deutschland offenbar eine Garantie fürs Leben geben muss, sodass alles mit Vorschriften und Verordnungen zugedeckt wird. Dagegen kann man auch schon auf kommunaler Ebene aktiv werden.“

  Hans-Jörg Herhausen.

Hans-Jörg Herhausen.

Foto: Simone Bahrmann

Rundschau: Gibt es für Sie besondere Herzensangelegenheiten in Sachen der politischen Zukunft in Nordrhein-Westfalen?

Anja Vesper: „Die Spielplatzförderung! Die Kinder, die während Corona so lang im wahrsten Sinn des Wortes eingesperrt waren, müssen wieder nach draußen gehen können und dort gut gestaltete Areale vorfinden. Da hat Wuppertal sehr viel Nachholbedarf. Der Spielplatz an der Goethestraße in Vohwinkel etwa ist seit rund neun Jahren eine Baustelle. Außerdem möchte ich, dass es mehr bezahlbaren, guten Wohnraum gibt. Allerdings müssen sich Sanierungen oder aber auch der soziale Wohnungsbau für Vermieter natürlich rechnen. Und wir brauchen mehr Einfamilienhäuser für junge Familien und weniger Bau-Bürokratie, die hier im Wege steht.“

Hans-Jörg Herhausen: „Meine Schwerpunkte sind Sicherheit und Verkehr. Ich möchte weiterhin einen Innenminister, der Herbert Reul heißt und macht, worauf es ankommt.“

Rundschau: Nämlich?

Hans-Jörg Herhausen: „Die Themen Clan-Kriminalität, Investitionen in Personal und Ausstattung der Polizei offensiv angehen und sich nicht wie sein Vorgänger hauptsächlich um das Blitzen von Autofahrern zu kümmern.“

Rundschau: Und wo soll in Sachen Verkehr die Reise hingehen?

Hans-Jörg Herhausen: „Der ÖPNV sowie der Rad- und Fußverkehr müssen weiter ausgebaut werden. Doch Straßen und Brücken als Adern der Wirtschaft sind ebenso wichtig. Verkehr ist ein Zusammenspiel von vielen Kräften. Wenn man sich, wie während 40 Jahren SPD-Regierung, nicht um die Brücken und die Infrastruktur kümmert und das Land herunterwirtschaftet, steht man, wie jetzt, vor dem Problem, wie die Sanierung laufen soll und wer sie bezahlt. Zum ÖPNV ist mein Standpunkt klar: Ein Solidarisches Bürgerticket, quasi als Zwangsabgabe, ist mit mir nicht zu machen. Für die Nutzung des ÖPNV muss der Nutzer, wie jeder andere Verkehrsteilnehmer in seinem Bereich auch, seinen Anteil leisten.“

  Rainer Spiecker.

Rainer Spiecker.

Foto: Simone Bahrmann

Rainer Spiecker: „Für mich stand und steht immer der Bereich der beruflichen Ausbildung, für die man schon frühzeitig in den Schulen werben muss, im Vordergrund. Junge Menschen, die gut ausgebildet sind, sind echtes Kapital einer Gesellschaft. Mir geht es um klassische Wirtschaftspolitik, den klassischen Mittelstand, sichere Arbeitsplätze sowie gut ausgebildete und deshalb gut bezahlte Arbeitnehmer. Außerdem liegt mir die siebte Gesamtschule am Herzen: Für den Wuppertaler Osten, wo es eine klare schulische Unterversorgung gibt, ist sie unbedingt nötig. Ich will mich auch für den Hochwasserschutz im von der Flutkatastrophe schwer getroffenen Stadtteil Beyenburg einsetzen. Hier muss auch das Land etwas tun.“

Rundschau: Kommt an Ihren Wahl-Infoständen das Thema Klimaschutz zur Sprache?

Rainer Spiecker: „Ja, sicher. Alle wollen gut und gesund leben. Aber zurzeit haben die Menschen ganz andere Sorgen. Etwa den Ukraine-Krieg und wie er sich auf ein bezahlbares Leben auswirkt. Ich glaube, deswegen müssen wir als Politiker auch mal wieder ,runterkommen‘.‘

Anja Vesper: „Wegen der hohen Energiepreise möchten sich viele beispielsweise mit privaten Photovoltaik-Anlagen selbstständig und unabhängig machen, sind aber mit einem Dschungel der Bürokratie konfrontiert.“

Hans-Jörg Herhausen: „Ich habe den Eindruck, dass es den Menschen aktuell vor allem um ihre Grundbedürfnisse geht. Kurz gesagt darum, wie sie ihr Leben, ihre Wohnung, die Lebensmittel und die Fahrt zur Arbeit bezahlen können.“

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